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Textauszuege


Wilhelm Meins, der Vater
Die Fanatiker, die mit einem Terroristenkind auf dem Friedhof nicht ihre Angehörigen haben wollten, ... die sind hier jeden Tag hergekommen. Da hab ich hier einen Zettel gehabt: in den nächsten Tagen, wenn ich wiederkommen würde, würde ich ihn hier nicht mehr finden, sie würden ihn hier aufhängen am Baum. Da hab ich von hier bis da, ungefähr einen Meter tief eine Betondecke ziehen lassen, dass sie den Sarg nicht mehr rausnehmen konnten.

"Bildungsbericht", 12.Klasse Gymnasium St.Georg, Holger Meins
"Ich wurde am 26. Oktober 1941 in Hamburg geboren. Mein Vater Wilhelm Meins ist Betriebsführer in einem mittleren technischen Betrieb, so dass man unsere häuslichen Verhältnisse wohl als gesichert, geregelt und harmonisch bezeichnen würde. ... Als Lieblingsbeschäftigung möchte ich nennen: malen, dichten, denken, träumen, lesen, tanzen, nichts tun."

"Bildungsbericht", 12.Klasse Gymnasium St.Georg, Holger Meins
Es gibt niemandem, dem ich zutiefst vertraue und glaube, von dessen Wahrheitswillen und Zuständigkeit ich überzeugt bin. Ich kann mich nicht mit blossem Betrachten und Ausdeuten des Gewesenen begnügen, sondern muss weiter Fragen bis zur letzten Frage, bis in den Bereich, wo es um Sein oder Nicht-Sein geht. Auch auf die Gefahr hin, dass man daran zerbricht. Wenn ich wüsste wer Gott ist, wüsste ich auch, wer ich bin.

Suzanne Beyeler
Eines Tages klingelts an der Tür, ich mach auf, und der Holger steht vor der Tür mit einem Teppich unterm Arm und einem Spiegel in der anderen Hand und sagt "hier bin ich"! Und dann ist er bei mir eingezogen. Das war eine so grosse Überraschung und eine so grosse Freude. ... da ist er ausgezogen bei der K1. Irgendwas hat ihm da nicht mehr gepasst. Und dann sind wir zusammengekommen. Es war auch ein bisschen schwierig, es war nicht so einfach. Es ist schwer zu erzählen.

Wolfgang Petersen
He was in my filmschool. We were together. It was from '66 till '70. Holger Meins ... who became later on a terrorist, "Terrorist Holger", he was there. It was a wild time. It was a fantastic time. It was '68 with the student revolution... I learned much more about live and about politics than about films... It was what a film school should be: it was very, very wild and innovative and creative and a mixture between this political student revolution time and us, reflecting a lot and the films. It was great.

Gretchen Dutschke
Wir wurden mit Gewalt konfrontiert, wir haben überhaupt nicht mit Gewalt angefangen, wir haben demonstriert, das war nicht gewalttätig. Das war ein demokratisches Recht, seine Meinung zu sagen, mit Plakaten auf die Strasse zu gehen und zu sagen, wir sind gegen den Krieg in Vietnam... Wir sind dann mit Gewalt von Seiten des Staats konfrontiert worden, von der Polizei geschlagen, Leute wurden verhaftet. Bis '67, wo die Polizei anfing uns zu töten. Gewalt bis auf höchste Extreme. Unter den Umständen musste man sich schon fragen: Soll man die demokratische Idee aufgeben und sagen, der Staat will uns umbringen, wenn wir unsere Meinung sagen? Wenn wir versuchen, Demokratie zu realisieren, dann töten sie uns...? Deswegen ging die Gewaltfrage so weit, dass man überlegte: Gewalt gegen Sachen. Das hat man erst mal befürwortet, weil man dachte, man hat keine andere Möglichkeit. Nach dem Tod von Benno Ohnesorg haben alle gedacht, es ist vielleicht hoffnungslos über Demokratie zu reden.

Rainer Langhans
Woher kommt das, dass man glaubt, man könnte mit Krieg und mit Aufstand in dieser Zeit wirklich alle erreichen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich das gerade in Holgers Fall als Krieg gegen sich selbst ansah und nicht für ernstlich einen erfolgreichen Krieg gegen die Anderen. Ich fand, dass Holger Krieg gegen sich selbst geführt hat. Und diese zeitweilige Projektion, das auf Andere schieben zu können, wenn man die bekriegt, dass man den Krieg gegen sich selbst gewinnt, das fand ich schon in der Zeit, wo er in der Kommune war, nicht glaubhaft. In seinem Fall weniger als bei den anderen.

Briefe Holger Meins, 1973-74
Proletarisch revolutionär: nichts zu verlieren, alles zu gewinnen. Die Methode "Volkskrieg", Vietkong, Nigger, Mensch. Der Faschismus ist der Feind und sonst nichts. Zwischen uns und dem Feind liegt die "free fire zone", sonst nichts. Sie haben uns getötet, wir werden sie töten.

****, Freundin
Illegalität bedeutet null Kreativität. Du funktionierst und reagierst aufgrund der harten Bedingungen. 60 000 Bullen oder so hatten die auf uns angesetzt. Da war uns nicht mehr so nach Lachen zumute.

Alfred Klaus
Es gab Hinweise darauf, dass die Anwälte ihre Verteidigerrechte missbraucht haben und deshalb haben ... wir so am 16. Juli 1973 bei den Hauptbeschuldigten deren Zellen durchsucht. Ich hatte die Aufgabe, Ulrike Meinhofs Zelle zu durchsuchen und das begann sehr dramatisch, weil sie sich weigerte, mir ein Papier herauszugeben. Als ich versuchte, das Papier zu nehmen, liess sie sich fallen und trat mich mit beiden Beinen in den Bauch. Aber dieses Papier war sehr wichtig: (das) faszinierende war, dass sie bei der Vergabe von neuen Decknamen den Roman von Melville, "Moby Dick" zurückgriffen. Holger Meins bekam den wichtigen Decknamen des Steuermanns der "Pequod" - so hiess das Schiff, das den weissen Wal jagen wollte.
"Starbuck" war ein besonnener, ruhiger Mann, der vergeblich versucht hat, den "Ahab" von seinem Wahnsinn abzuhalten, den weissen Wal erlegen zu wollen. Und da ich selber zur See gefahren bin, war ich von diesen Metaphern fasziniert und habe daran gedacht, dass sie - entweder bewusst oder unbewusst - die "Pequod", dieses Schiff, das dann unterging im Kampf mit dem weissen Wal, verglichen hat mit der "Roten Armee Fraktion". Der weisse Wal, der Staat, der Leviathan, den es zu verfolgen galt, den man mit allen Mitteln bekämpft hat ohne Rücksicht auf Verluste. Und "Ahab" hat praktisch die RAF mit in den Tod, in den Untergang gerissen.


NDR-Archiv: Fernsehbericht, Kommentar:
Auf einer Pressekonferenz in Stuttgart beschuldigten die Anwälte der Baader-Meinhof-Gruppe die Justizbehörden, Holger Meins ermordet zu haben. Der Berliner Rechtsanwalt Schily sprach von einer Hinrichtung auf Raten. ... Meins wog 42 kg, er wurde in den letzten Tagen mit nur 400 Kalorien pro Tag ernährt.


Briefe Holger Meins, 1973-74
Kein Wort zu den Pigs, in welcher Verkleidung auch immer sie kommen, vor allem Ärzte. Kein Einzelhof, Einzelbad, kein Besuch unter Bullenbewachung, natürlich auch keine einzige Handreichung, keinen Finger krumm machen. In der Regel passiven Widerstand, sich nie zu irgendetwas provozieren, hinreissen lassen. Das ist pure Dummheit. Cool, gelassen, heiter. Aber sich unversöhnlich, unerbittlich, bis zum Äussersten verteidigen, mit der Methode Mensch.


Margrit Schiller
Also so, wie ich die Briefe und den Hungerstreik von Holger verstehe, hat er gewusst, dass er sterben wird und hat das auch bewusst gemacht. So wie ich ihn verstanden habe, so wie ich ihn auch vorher erlebt habe, wusste er, worauf er sich einlässt und hat das auch bewusst in Kauf genommen. Nicht, dass er sterben wollte, aber er hat gesagt, das ist der Preis, den ich bezahle, oder das ist die Konsequenz, die es haben kann und ich bin bereit, die auch zu tragen.